Meine Klientin nahm all ihren Mut zusammen und sprach einen LKW-Fahrer an, der regelmäßig – und auch diesmal – vor ihrem Restaurant parkte. Sie erklärte ihm höflich, dass der LKW den Blick für ihre Gäste auf den grünen Park versperre und bat ihn darum, in Zukunft eine andere Parkmöglichkeit zu wählen.
Anstatt Verständnis zu zeigen reagierte der LKW-Fahrer mit einer Welle an Negativität: „Warum sollte ich? Das ist ein öffentlicher Parkplatz! Ich kann parken wo ich will! Scheiß Deutschland. Nirgends wird man in Ruhe gelassen. Die Straßen sind voll und alle nerven. Und diese be.. Regierung. Am liebsten würde ich auswandern..“
Ups…
Wie wir auf Schimpftiraden reagieren
Unerwartete oder heftige Reaktionen können uns überrumpeln und „aus der Bahn werfen“. Unsere Reaktion darauf variiert je nach Persönlichkeit und Erfahrung — häufig auch geschlechtsspezifisch.
Bei Männern beobachte ich oft hitzige Wortgefechte mit vielen Schimpfwörtern, bei denen die Emotionen hochkochen und lautstark zum Ausdruck kommen. Frauen hingegen neigen eher dazu, sich zurückzuziehen. Vielleicht versuchen sie, sanft dagegenzuhalten, doch meist ziehen sie sich innerlich zurück. Auch bei ihnen kochen die Emotionen hoch, aber sie bewahren äußerlich die Fassung — der „Deckel“ bleibt zu.
Das Problem: Solche unangenehmen Vorfälle können uns emotional blockieren. Sind wir im Umgang mit Konfrontationen oder im Umgang mit Konflikten ungeübt — sei es aufgrund unserer Persönlichkeit oder fehlender Übung, wie sie etwa Politiker oder Polizist haben — können solche Vorfälle unseren Tag ruinieren und unsere Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen.
Negative Emotionen reduzieren die Arbeitsleistung
Der Wutausbruch des LKW-Fahrers, der meine Klientin „getroffen hat“, ereignete sich am Vormittag, doch der Vorfall verfolgte sie den ganzen Tag und beeinträchtigte ihre Arbeit. Sie wollte Bestellungen aufgeben und den Schichtplan erstellen, aber ihre Gedanken kehrten immer wieder zu dem Wutausbruch und ihrer Reaktion darauf zurück: „Hätte ich ihn doch lieber nicht angesprochen.“ Oder: „Was für ein …, wie asozial.“ Oder: „Hätte ich ihm doch mehr Paroli geboten.“
Hätte, hätte, Fahrradkette.
Wie Sie Gedankenkarussels und negative Gefühle beruhigen können
Negative Emotionen beeinträchtigen unsere Konzentration und die Fähigkeit, effektiv zu arbeiten. „Hätte, hätte“-Gedanken, Ärger und Wut über einen unangenehmen Vorfall können uns so sehr einnebeln, dass wir unserer Arbeit nicht mehr richtig nachgehen können. Wir wollen etwas erledigen, setzen uns an die Arbeit, aber die Gedanken schweifen immer wieder zum Geschehenen ab. Wir sind unkonzentriert, machen Fehler, und in Gesprächen hören wir nicht mehr richtig zu. Kurz gesagt: Wir sind nicht mehr arbeitsfähig.
Was können Sie tun, um aus negativen Emotionen und blockierenden Gedankenkreisläufen herauszukommen? Wie schaffen Sie es, nach einem emotional aufwühlenden Vorfall wieder fokussiert zu arbeiten?
Negative Emotionen und Gedankenkreisläufe können uns benebeln. Wir ärgern uns und kreisen gedanklich immer wieder um den Vorfall, der uns belastet und schlechte Laune verursacht hat. Solche negativen Emotionen blockieren unsere Fähigkeit, fokussiert und präsent zu arbeiten, wodurch unsere Arbeitsleistung spürbar sinkt.
5 Möglichkeiten, wie Sie nach „Wortgefechten“ ihr Gedankenkarussel durchbrechen
- Problemverortung: Wozu sich ärgern oder weiter drüber nachdenken: Hat vielleicht eher der/die andere Person das Problem? Und haben Sie dieser Person nicht eher dabei geholfen, einmal Dampf abzulassen und sich dadurch emotional zu entlasten?
- Worst-Case-Szenarien: Überlegen Sie, was noch schlechter hätte laufen können. Zu Wissen, dass es ja zum Glück nicht ganz so schlimm war, kann trösten und beruhigen.
- Aufschreiben: Schreiben sie den Vorfall auf – vor allem Ihre Gedanken und Gefühle dazu. Vielleicht auch, was Sie gerne gesagt oder getan hätten. Damit sind diese aus ihrem Kopf und auf dem Papier. Sie könnten alles nachlesen, wann immer sie wollen – und die Angelegenheit jetzt erst einmal zur Seite legen.
- Stopp-Routine: Sehen sie das Rot der Ampel vor Ihrem inneren Auge! Sagen Sie dazu einen Stopp-Satz, z.B. „Dumm gelaufen und kann ich jetzt nicht ändern“. Entscheiden Sie, ob Sie weiter Grübeln oder das Grübeln beenden wollen. Bei letzterem: Begeben Sie sich gedanklich in eine schöne Umgebung, z.B. dem Berggipfel mit Sonnenuntergang. Schauen Sie sich hier die Details an. Genießen Sie die Luft, die Ruhe, die Felsen…
- Körperliche Betätigung oder tiefes Atmen: Ideal beim Abbau von Stress sind körperliche Betätigungen wie ausdauerndes Joggen oder Nordic Walken, weil damit der Stoffwechsel in Fahrt kommt und Stresshormone neutralisiert werden. Weniger zeitintensiv sind Atemübungen mit tiefem Ein- und Ausatmen, die das vegetative Nervensystem beruhigen. Verharren Sie nach dem Ausatmen eine Weile „unten“, das Beruhigt noch mehr.
Üben Sie regelmäßig, wie Sie sich aus emotionalen Nebeln befreien
Da Sie hoffentlich nicht allzu oft heftigen Reaktionen anderer ausgesetzt sind, in Konflikte geraten oder „Negativitätsschüben“ standhalten müssen, bereiten Sie sich am besten regelmäßig durch „Trockenübungen“ darauf vor. Planen und üben Sie gedanklich, wie Sie in solchen Situationen reagieren und wie Sie im Anschluss negative Emotionen und Gedankenkreisläufe bewältigen können.
Welche der fünf Techniken spricht Sie am meisten an? Üben Sie diese mit fiktiven Themen und Szenarien. So stellen Sie sicher, dass Sie nicht völlig überwältigt sind, wenn jemand Sie unerwartet „anfährt“. Damit bewahren Sie sich die Fähigkeit, unangenehme Themen anzusprechen und trotz Unverständnis oder sogar Wutausbrüchen Ihres Gegenübers nicht in einem Gedankenkarussel zu landen sondern schnell wieder produktiv und fokussiert arbeiten zu können.
Gerne unterstütze ich Sie dabei.
Claudia Seidel
Coaching Methoden
Worst-Case-Szenario, Brainwriting oder „von der Seele Reden“ sind Techniken, die bestimmt irgendwo stehen, die ich aber eher aus Gesprächen und aus eigenen Übungen her kenne.
Emotionsnebel, also die Bezeichnung „benebelt sein“, kenne ich von der Kommunikationstrainerin Vera Birkenbihl.
Die Stopp-Übung habe ich in der Gruppensupervision von einer Kollegin kennengelernt, deren Namen ich leider nicht mehr finde (ggf. bitte melden).