Ab jetzt arbeiten wir agil!

Der (lange) Weg von der hierarchischen zur agilen Arbeitsweise.

Ein mittelgroßes Unternehmen möchte die Arbeitsweise von hierarchisch zu agil ändern. Es verspricht sich damit, besser und schneller auf die veränderten Verhaltensweisen bzw. Wünsche der Kunden reagieren zu können. Es will damit Konkurrenzfähig zu bleiben! Die Umsetzung: Statt Produktmanager gibt es jetzt ProductOwner, die Projektleiterin wird zum ScrumMaster, jeden Morgen gibt es ein 15minütiges Stand-up-Meeting und  alles zeitliche und inhaltliche wird im Kaban-Board abgebildet. Damit arbeiten wir ab jetzt agil!

Warum agiles Arbeiten?

Seit den 1990 Jahren wurde für die Softwareentwicklung immer mehr das agilen Framework SCRUM genutzt. Denn die Erfahrung hatte gezeigt: komplexe Softwareprojekte vom Anfang bis zum Ende exakt durchzuplanen und umzusetzen ist nicht möglich. Ein bis dahin starres Vorgehen mit einem „unterschriebenen Pflichtenheften“ für ein Endprodukt in 3 Jahren, führte oft zu unbrauchbaren Ergebnissen – und zu Frust: bei Auftraggeber/in und Auftragnehmer/in.

Abhilfe brachten agile Vorgehensweisen & Projektmanagementmethoden.

Agilität meint dabei pro-aktiv, initiativ und flexibel zu agieren – auch das Wort “selbstorganisiert” fällt hier oft. Agiles Arbeiten heißt, einen einmal eingeschlagenen Weg regelmäßig und in kurzen Zeitabständen zu überprüfen und anzupassen. Im Fokus steht der Mehrwert und Kundenwunsch.

SCRUM als Vorbild für agiles Arbeiten

Pionier agiler Vorgehensweisen ist die empirische Prozesssteuerung – das Framework – SCRUM, welches Jeff Sutherland und Ken Schwaber in den 1990er Jahren entwickelten. SCRUM ist ein inzwischen sehr gut erprobter und weit verbreiteter Lösungsansatz für komplexe Projekte bzw. Vorhaben, sogar außerhalb der Softwarentwicklung. Hierin gibt es Rollen wie Product Owner, Entwicklerteam und Scrum Master sowie Ereignisse wie Sprint, Daily, Retrospektiven etc.

Um agiles Arbeiten zu implementieren reicht es leider nicht, per Stellenbeschreibung die Produktmanagerin in Product Owner umzubenennen und täglich ein Daily für das Team einzuplanen. Denn den agilen Arbeitsweisen liegen konkrete Werte und Haltungen zugrunde, die explizit kommuniziert, von jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter individuell trainiert und zudem immer wieder reflektiert werden müssen. Auch selbstorganisierte Teams “fallen nicht vom Himmel”! Wir alle kennen bestimmt schon Versuche, uns individuell zu organisieren – also Selbstorganisation mit uns alleine.  Und nun sollen wir uns alle zusammen im Team “selbst organisieren”? Holla…

Das SCRUM Framework

Bei der agilen Arbeit mit SCRUM heißen die zugrundeliegenden Werte: Offenheit, Selbstverpflichtung, Respekt, Mut und Fokus. Und die Säulen darunter  sind Transparenz, Überprüfung und Anpassung.

Erst wenn diese Grundlage vorhanden ist,  allso diese Haltung verinnerlicht und gelebt wird, ist agiles und selbstorganisiertes arbeiten möglich.

Vom hierarchischen zum agilen Unternehmen transformieren

Ein traditionelles, hierarchisch geführtes Unternehmen in ein agiles Unternehmen umzuwandeln, ist ein großer Chance-Prozess, denn das stellt die bisher gelebte Unternehmenskultur in Frage.

Waren die Mitarbeitenden eines Teams bislang gewohnt, Aufgaben zugewiesen zu bekommen (push-Prinzip), sollen sie diese nun gemeinschaftlich erarbeiten oder zumindest gemeinsam priorisieren, verteilen und erfragen (pull-Prinzip). Das geht nicht einfach per „wir arbeiten jetzt agil“-Ausruf. Das braucht Begleitung und Befähigung – individuell und als Team!

Wurden Entscheidungen bisher „oben“ getroffen, also von der Führungskraft, sollen sie nun eigenverantwortlich im Team gefällt werden. Aber wie geht das? Das erfordert ein Dürfen, Können und Wollen! Dass heißt auch, es bedarf ein Austauschen und Diskutieren im Team, eine unternehmerische Weitsicht und vor allem Entscheidungsfindungskompetenz.

Woher soll das alles so plötzlich kommen, wenn ich mich als Mitarbeiter jahrelang an meine Chefin halten konnte (oder musste) und die gemeinschaftliche Entscheidungsfindung im Team auf die Auswahl der Aktivität zur Weihnachtsfeier beschränkt war?

Kultur ist das aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernte Denken, Fühlen und Verhalten

Eine Kultur – so wie auch die Kultur eines Landes – ist über Jahre hinweg entstanden. Kulturelle Denk- und Verhaltensmuster nehmen wir oft gar nicht mehr bewusst wahr. Sie werden einfach gelebt und weitergetragen. Es sei denn, sie werden missachtet oder in Frage gestellt. Dann gibt es Widerstand.

Die Transformation der Unternehmenskultur ist daher ein langwieriger Prozess, der nur gelingen kann, wenn er behutsam angegangen und längerfristig begleitet wird.

Die aktuelle Unternehmenskultur sichtbar machen und würdigen

Bevor eine Kultur geändert werden kann, ist es wichtig, die aktuelle Team- oder Unternehmenskultur erst einmal explizit und bewusst zu machen. Da die kulturprägenden Werte, Normen und Einstellungen im Unternehmen verdeckt sind und oft schon unbewusst, ist das harte Arbeit: Für eine:n Mitarbeiter:in alleine und für alle Mitarbeitenden zusammen! Nicht einmal neue Mitarbeitende können die Unternehmenskultur direkt benennen, vielmehr erspüren sie diese beim ersten Kontakt und erfahren sie im Laufe der folgenden Zeit.

Im Change-Coaching gibt es zur Erkundung der bisherigen Unternehmenskultur das Seerosenmodell bzw. den Gartenteich nach Edgar H. Schein, sowie den kontextuellen Coaching-Eisberg. Die bisherige Unternehmenskultur (der hierarchischen Führung) zu erkennen, zu benennen und zu würdigen ist Voraussetzung, für eine Veränderung der Unternehmens- oder Teamkultur.

Die neue Kultur definieren und trainieren

Ist die alte Kultur aufgedeckt und gewürdigt, kann die neue, gewünschte Kultur definiert und trainiert werden. Das kann ein unternehmenseigenes Zielbild oder Leitbild sein. Bei der agilen Arbeitskultur mit SCRUM sind die zugrundeliegenden Werte vordefiniert und heißen Offenheit, Selbstverpflichtung, Respekt, Mut und Fokus. Und die Säulen darunter sind Transparenz, Überprüfung und Anpassung (siehe Bild).

Stellen wir uns vor, das von den Mitarbeitenden beispielsweise der Wert Mut bisher nicht verlangt wurde. Die Mitarbeitenden arbeiteten nach Vorgaben und die Führungskraft gab das Ergebnis frei. Ist mutig sein gewünscht, müssen alle erst einmal mutig arbeiten dürfen und wissen, wo es erlaubt ist und wo nicht, welche „Leitplanken“ es gibt. Und da mutig sein und zB. etwas ausprobieren oder selbständig Entscheidungen fällen auch mit “Fehler machen” einhergeht, ist es unabdingbar, dass die Mitarbeitenden bei Fehlern positive Erfahrungen machen: dass also Fehler nicht sanktioniert werden sondern dass sie erlaubt – ja normal und auch gewünscht sind. Bei SCRUM ist das Kredo, Fehler so früh und so schnell wie möglich zu machen und daraus zu lernen.

Und wie ist es mit dem Wert „Selbstverpflichtung“? Oder Repsekt? Oder oder oder… All diese Ausgestaltungen zu definieren und zu trainieren ist Voraussetzung dafür, das diese neue, agile Kultur überhaupt erst gelebt werden kann.

Schrittweise das neue Denken und Verhalten implementieren

Wissen die betroffenen Mitarbeiter/innen, beispielsweise durch ein SCRUM-Training was unter agilem Arbeiten gemeint ist, wie diese Arbeitskultur aussehen soll, kommt der lange und entscheidende Weg der Implementierung und Verinnerlichung. Zur Erinnerung; Kultur ist das aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernte Denken, Fühlen und Verhalten. Diese Vergangenheit hatte aber eine andere Kultur. Beim Change-Coaching wird also die neue, gewünschte Arbeitskultur schrittweise erlebt, reflektiert und nachjustiert. Dazu gehören das Nachhalten, Ermutigen oder gar Einfordern – beim Individuum und beim Team.

Ach… da wäre ja auch noch der menschliche Widerstand bei Veränderungen, die Angst und die Bequemlichkeit  – aber darauf gehe ich in einem anderen Impuls ein.

Unternehmenskultur verändern braucht Zeit und Begleitung

Um die Arbeitsweise im Unternehmen von hierarchisch zu agil zu verändert reichen neu definierter Strukturen, Prozesse und Stellenbezeichnungen nicht aus. Es ist eine Veränderung der Unternehmenskultur! Und damit ein Change-Prozess, der Zeit und Begleitung braucht. Denn Kultur basiert auf  verdeckt gelebten Werten, Normen und Einstellungen. Diese zu verändern braucht die längerfristige Begleitung durch Business- und Teamcoaches, welche nämlich mit Fach- und Führungskräften oder Teams genau hieran arbeiten: an den verdeckten Werten und Normen, an verdeckten Einstellungen oder Glaubenssätze sowie an den Sorgen, Ängste und Nöte und wie sie sich im Alltag zeigen.

Gerne unterstütze ich Sie bei Change-Prozessen als Prozessberaterin, Fach- und Führungskräftecoach sowie Teamcoach. Schicken Sie mir eine e-mail, rufen Sie mich an oder machen Sie gleich einen Termin für ein unverbindliches Gespräch mit mir aus.

Bis dahin,

Claudia Seidel

Coaching Methoden

Um in Unternehmen agile Arbeitsweisen einzuführen, also die Haltung zu hinterfragen und das Verhalten anzupassen, braucht es ein länge angesetztes Organisationscoaching mit vielen verschiedenen Methoden. Diese stimme ich kontinuierlich mit Ihnen ab.

Die bisherige Kultur kann z.B. mit dem Seerosenmodell bzw. den Gartenteich nach Edgar H. Schein aufgedeckt werden. Mit dem Großgruppenformat Appreciative Inquiery identifiziert das Team, was schon gut läuft und wie es mit SCRUM, dem neuen Leitbild oder eigenen Werten noch besser laufen könnte. Mit dem kontextuellen Coaching-Eisberg können Gewinn und Preis für alte und neue Kultur visualisiert und damit verdeutlicht werden.

Teamcoachings, also das Coaching des Teams über einen längeren Zeitraum – bei SCRUM Retrospektiven genannt –  unterstützen die Reflexion und Optimierung der Zusammenarbeit im Team. Fach- und Führungskräftecoachings helfen individuell dabei, Denkweisen und Wahrnehmungen zu überprüfen und Blockaden zu überwinden.

Organisationscoaching bzw. -entwicklung ist sehr individuell, fragen Sie daher gerne nach einer Erstberatung.

 

Im Rahmen der Digitalen Transformation und Fachkräftesicherung gibt es das Förderprogramm INAQ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Hier werden bis zu 80% der Beraterkosten übernommen. Fragen Sie mich gerne hierzu als zertifizierter INQA Coach an.

 

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