Ein langjähriger Mitarbeiter erkennt mich als neue Führungskraft nicht an.

Wie Sie die Beziehung klären

Sie sind neuer Teamleiter oder neue Abteilungsleiterin und kommen von außen ins Team. Sie haben die fachlich und disziplinarische Verantwortung u.a. für einen Mitarbeiter, der schon 20 Jahre im Betrieb ist. Er arbeitet derzeit vollkommen autonom an einem Projekt. Daher bindet dieser Sie auch nicht ein.

Für Themen, die Ihrer Ansicht nach gut bei diesem Kollegen platziert wären, hat er „keine Zeit“. Die regelmäßig geplanten Mitarbeitergespräche bzw. 1:1 Gespräche sagt er häufig ab, „weil es im Projekt gerade wichtiges zu tun gibt“. An Absprachen, Sie mehr einzubinden, hält er sich nicht.

Inzwischen fragen Sie sich, wozu der Mitarbeiter bei Ihnen im Team ist, wenn Sie ihn gar nicht greifen und einbinden können?

Langjährige Mitarbeiter:innen haben historisches Wissen

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Team, die schon sehr lange im Unternehmen sind, fällt es manchmal schwer, neue Führungskräfte anzuerkennen. Sie kennen ihre Aufgaben sehr gut. Sie wissen von den ungeschriebenen Regeln, sind gut vernetz und arbeiten sehr autonom an eigenen Themen oder Projekten. Wieso sollten sie mit der neuen Führungskraft kooperieren und von dieser womöglich noch Aufgaben annehmen? “Ich weiß doch viel Besser als die neue Führungskraft, was es zu tun gibt und wie es im Unternehmen abläuft”, so das Denken. Und vielleicht denken sie auch, dass es mit der neuen Führungskraft schon wieder eine Veränderung gibt, die beim nächsten Führungswechsel wieder gestrichen wird.

Mitarbeitende, die schon lange Jahr im Unternehmen sind, haben historisches Wissen.

Für Sie als neue Führungskraft bedeutet das, dieses historische Wissen anzuerkennen und zunächst behutsam vorzugehen. Verlangen Sie nicht gleich, dass Ihre Ideen umgesetzt werden. Sie können von den langjährigen Mitarbeitenden zunächst viel lernen und erfahren. Vor allem über die Unternehmenskultur, also die ungeschriebene Prozesse und Regeln sowie verdeckten Rollen!

Bitten Sie den Kollegen oder die Kollegin, Ihnen dabei zu helfen, im Unternehmen und auf Ihrer neuen Position Fuß zu fassen. Bitten Sie um Hilfe, um zu verstehen, wie die informellen Arbeitsprozesse und Strukturen im Unternehmen sind. Wie werden bisher Aufgaben verteilt oder Arbeitsanweisungen kommuniziert? Wie werden Ergebnisse präsentiert? Welche Netzwerke gibt es?

Dann erst ist es Zeit für Ihre Ideen. Und spätestens dann wird es zu Spannungen und Konflikten kommen.

Teamuhr nach Tuckmann

Um als neue Führungskraft ins Team zu finden sowie Vertrauen und Anerkennung aufzubauen, ist es meines Erachtens nach hilfreich, die Teamuhr nach Tuckmann zu kennen und zu beachten.

Zu Beginn der Zusammenarbeit herrscht oft eine nette und höfliche Atmosphäre – das ist auf English die „Forming-Phase“. Dann treten die ersten Unstimmigkeiten, unerfüllte Bedürfnisse, Erwartungen oder Interessenskonflikte auf. Es gibt Gegenwind und es fühlt sich an wie in einem Sturm – die „Storming-Phase“.

In dieser Stormingphase zu vermitteln und anzutreiben ist Führungsaufgabe, sogar wenn Sie selbst betroffen sind! Sich hiervor zu drücken bringt nichts, sonst kommt es zu Ausreden und Ausflüchten, so wie im Beispiel oben das „keine Zeit, ich muss noch etwas wichtiges erledigen“.

Erst durch das Klären der Beziehung – der sogenannten „Norming-Phase“, gelangen die Beteiligten in die „Performing-Phase“, in der es um eine konstruktive und zielorientierte Zusammenarbeit geht. Erst wenn die Bedürfnisse, Erwartungen und Interessen geklärt sind, kann die Zusammenarbeit klappen und können sich alle wieder auf die fachlichen Aufgaben konzentrieren.

Bei Spannungen und Störgefühlen die Beziehung klären

Bei Spannungen, Störgefühlen und Konflikten ist es an der Zeit, die Beziehung zu klären. Selbst wenn sich Führungskräfte freuen können, wenn Mitarbeiterinnen selbständig ihre Aufgaben erfüllen, gilt das nur solange, bis Sie als Führungskraft wissen, woran die Kollegin arbeitet. Wie ist die zeitliche Eingebundenheit und welche Ergebnisse werden abgeliefert? Fernere geht das autonome Arbeiten nur dann gut, wenn auch die Aufgabenverteilung funktioniert.

Um all das herauszufinden und zu bespreche, führen Sie Vier-Augen-Gespräche. Verweigern Mitarbeitende diese, können Sie das als Führungskraft einmal, vielleicht auch zweimal akzeptieren. Danach ist ein klärendes Gespräch unabdingbar!

Das fällt vielen schwer, denn im beruflichen Kontext werden Beziehungsthemen gerne „unter den Teppich gekehrt“ oder schnell wieder beendet. Das Vier-Augen-Gespräch wird gerne auf sachliche, fachliche oder organisatorische Belange gelenkt. Wir sind ja hier bei der Arbeit!

Haben Sie als Führungskraft aber ein Störgefühl, z.B. weil die 1:1 Gespräche oft abgesagt werden, der Mitarbeiter nicht greifbar ist, oder die Aufgaben nicht übernommen werden, sprechen Sie das unbedingt an. Klären Sie die Beziehung!

Wie das am besten geht?
Kündigen Sie das 1:1 Gespräch so an, dass es nicht abgesagt werden darf und dass es darin um die Zusammenarbeit geht – und zwar nur über die Zusammenarbeit!
Im Gespräch geben Sie dann Beispiele, was aus Ihrer Sicht in der Zusammenarbeit gut funktioniert und dann das, was optimierbar ist. Benennen Sie konkret ihr Störgefühl und beschreiben Sie, wie Sie die Zusammenarbeit statt dessen gerne hätten, was Sie erwarten!

Ergänzen Sie die Beispiele mit Selbstoffenbarungen, also was die Situation mit Ihnen gemacht hat. Welche Gefühle und Gedanken hatte das Verhalten oder die Aussage des Mitarbeitenden bei Ihnen als Führungskraft ausgelöst? Diese Selbstoffenbarung ist wichtig, damit das Gegenüber nicht wieder auf die Sachebene abdriftet. Und damit geben Sie dem Mitarbeitenden die Möglichkeit, die Auswirkungen ihres bzw. seines eigenen Verhaltens auf Sie und die Beziehung zwischen ihnen beiden zu verstehen. Vereinbaren Sie einen Zeitpunkt in 2-3 Monaten, an dem Sie die Auswirkungen des Gesprächs überprüfen.

Nutzen Sie als Führungskraft auch in Zukunft die Vier-Augen-Gespräche in regelmäßigen Abständen dafür, die Beziehung zu klären. Besprechen Sie regelmäßig mit dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin unter vier Augen, was Sie in der Vergangenheit vereinbart haben und wie Sie beide diesbezüglich unterwegs sind.

Selbständiges Arbeit? Gerne – solange Sie als Führungskraft informiert sind und den Stand der Dinge und die Ergebnisse mitbekommen. Aufgabenzuordnung oder Arbeitsanweisungen ignorieren? Nicht mit Ihnen!

7 Schritte, wie Sie als Führungskraft Störgefühle und Spannungen ansprechen (Kritikgespräche führen):

  1. Kündigen Sie das Gespräch an, so dass die andere Person eine Chance hat, sich darauf vorzubereiten. (Beispiel: Ich habe ein Störgefühl und möchte das gerne im Gespräch mit dir beseitigen).
  2. Beginnen Sie mit einem kurzen Small Talk und kommen Sie dann zur Sache: Nennen Sie die Situation(en) bzw. Beispiele, die zu der Spannung oder dem Störgefühl geführt haben. Und zwar die „von gestern“, nicht die von „vor einem Jahr“!
  3. Was hat das mit Ihnen persönlich gemacht? Welche Emotionen oder Gefühle werden bei Ihnen aufgerufen? (Beispiel: Das hat mich irrittiert… traurig gemacht… irritiert…geärgert…)
  4. Fragen Sie nach und hören Sie zu, was die andere Person wahrgenommen hat und wie sie es erlebt hat. Bleiben Sie empathisch. Geben Sie das Gesagte evtl. in eigenen Worten wieder, damit deutlich wird, was sie gehört und verstanden haben.
  5. Bitten Sie nun darum, gemeinsam – quasi als Team – zu überlegen, was Sie in Zukunft ändern können, damit Spannungen oder Störgefühle nicht mehr auftauchen. Besprechen Sie die Ideen, „verhandeln“ Sie gegebenenfalls und finden Sie einen Konsens. Das geht nur, wenn beide aufeinander zugehen.
  6. Vereinbaren Sie einen Check-up Termin in 2-3 Monaten.
  7. Verabschieden Sie sich mit einer Zusammenfassung und einem zuversichtlichen Ausblick. Gerne auch mit einer Geste – wie z.B. einem Händedruck.

Als “Neue oder Neuer” Führungskraft gewinnen

Um als neue Führungskraft anerkannt zu werden – vor allem bei alt eingesessenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, braucht es nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch eine gute Beziehung. Beachten Sie, dass langjährige Mitarbeiter:innen Wissen über ungeschriebene Prozesse und Regeln sowie informelle Rollen haben! Nutzen Sie dieses Wissen.

Können Sie keine gute Beziehung aufbauen, braucht es eine Beziehungsklärung. Überlegen Sie darin gemeinsam mit dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin und quasi „als Team“, wie sie zusammen die gegenseitigen Erwartungen, Bedürfnisse und gegebenenfalls auch Interessen und Werte beachten können.

Gerne stehe ich Ihnen als Gesprächspartnerin und Impulsgeberin zu den Themen Beziehung klären, Führungskraft gewinnen, Kommunikation Verbessern und Zusammenarbeit gestalten zur Verfügung. Und auch als Konflikt-Coach oder Mediatorin. Machen Sie gleich einen Termin für ein unverbindliches Kennenlerngespräch mit mir.

Claudia Seidel

Coaching Methoden

Teamuhr nach Tuckmann
Wie Spannungen & Störgefühle zur Beziehungsklärung angesprochen werden können, ist in Anlehnung a Gisela Blümmert beschrieben und mit eigenen Anpassungen, die ich aus meinen Führungksräftecoachings mitgenommen habe.

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