Categories
Rede ich da mit einem Computer?
Ich habe der GEZ geschrieben, dass mein Vater vor kurzem verstorben ist und ich den Anschluss zum Quartalsende kündige. Der Antwortbrief beginnt mit: „Sehr geehrte Frau Seidel, das Beitragskonto xyz (Nummer meines Vaters) soll auf Ihren Namen umgeschrieben werden.“ …. Häh?
Ich lese die Zeile, bin irritiert, merke wie Unverständnis und Ärger in mir hochkommt. Ich schüttele mit dem Kopf, lache höhnisch und denke „Was ist das denn für ein Laden?”. OK, im Weiterlesen steht, dass ich für die Zeit nach dem Tod den Anschluss übernehmen muss und dieser dann zum Quartalsende gekündigt ist. Das Gefühl, dass ich es bei der GEZ mit einem gefühllosen Roboter zu tun habe, bleibt.
Merke ich, dass meine Ansprechpartnerin nicht auf mich eingeht, fühle ich mich unverstanden. Ich bin wahrscheinlich zunächst irritiert und versuche, das klarzustellen. Geht das nicht, bin ich verärgert oder frustriert. Und wenn bei uns Menschen Ärger, Wut, Unverständnis, Frust oder ähnliches mitschwingt, wird die Kommunikation schwierig. Wir landen in einem emotionalen Nebel und können schlimmstenfalls nicht mehr klar denken und handeln. Die Gedanken oder Worte werden womöglich aggressiv („Was für ein A…“). Es können irrationale Gedanken auftreten „Dem zahl ich das zurück!“. Schlimmstenfalls folgt auch irrationales oder unangebrachtes Verhalten, z.B. ein Schlag auf den Tisch, eine schreiende Beschwerde oder sogar eine „Revanche“, beispielsweise zahle ich der GEZ jetzt gar keine Gebühren mehr (-;
Wenn mein Ansprechpartner auf mich eingeht, meine Interessen erkennt und bestenfalls entsprechend meiner Erwartungen reagiert, fühle ich mich verstanden. Ich bin froh, freue mich oder hake innerlich etwas ab. Ich merke, dass mein Gegenüber mein Anliegen wahrgenommen hat und mich versteht.
Ich fühl mich verstanden, wenn mein Ansprechpartner oder meine Ansprechpartnerin nach meinem Gesagten, meiner Geste oder Bewegung erst einmal bei mir bleibt und angemessen reagiert (z.B. mit einem Beileid oder einem “hmmm” oder “verstehe”). Gibt er/sie mein Anliegen oder meine Sichtweise mit eigenen Worten wieder, kann ich erkennen, was angekommen ist und was nicht. Wenn er/sie direkt auf meine Bitte eingeht, bekomme ich mit, dass ich mit meinen Wünschen oder Bedürfnissen wahrgenommen wurde. Erst nach all dieser Anerkennung meiner Werte, Bedürfnisse und Interesse bin ich offen für andere Sichtweisen oder Erfahrungen. Vielleicht sogar für einen Ratschlag.
Auch kann ich mich verstanden fühlen, wenn eine Absage, also ein „Nein“ kommt. Es können schließlich nicht alle Erwartungen oder Bedürfnisse erfüllt werden. Nur ist es dann hilfreich, wenn mir das Gegenüber signalisiert, dass ich als Mensch gesehen werde und mein Anliegen angekommen ist. Das merke ich, indem mein Ansprechpartner oder meine Ansprechpartnerin meine Bedürfnisse, Emotionen und Interessen “mitdenkt”, Empathie zeigt. Eine Beispielantwort: „Dir ist das sehr wichtig, nicht wahr…. Leider können wir das nicht machen“. Das ist zwar dennoch nicht schön für mich und kann mich auch ärgern. Zumindest höre ich anhand der Einleitung und des Wortes „leider“, das die andere Person anerkennt, dass mir die Antwort nicht gefällt, meine Bedürfnisse oder Erwartungen nicht erfüllt werden.
Kommunikation ist ein großes Feld. Paul Watzlawick schrieb einmal: “Man kann nicht nicht kommunizieren”. Schriftlich oder Mündlich, durch die Mimik, Gestik und unser Verhalten… wir kommunizieren immer. Ob die Kommunikation gut ist, hängt auch davon ab. ob ich mich als Mensch wahrgenommen fühle.
Damit es in der Kommunikation gut klappt, ist es wichtig, dass alle Gesprächspartner/-innen sich gegenseitig als Menschen mit Gefühlen, Erwartungen, Bedürfnissen, Werten und Interessen anerkennen. Die im beruflichen Kontext gern betonte Kommunikation auf der “Sachebene” mag erstrebenswert sein, kann dennoch irritieren und beim Gegenüber „nicht richtig ankommen“. Ein Beispiel: Die Kollegin sagt „Mein Präsentationsprogramm funktioniert nicht mehr richtig“. Der Kollege darauf „Ich habe morgen Urlaub“. Sachlich korrekt. Vermissen Sie dennoch etwas? Bestimmt!
Ein anderes Beispiel: In den Vereinbarungen im Rahmen meiner Teamcoachings wird von den Teilnehmenden oft vorgeschlagene „Gesagtes nicht persönlich zu nehmen“. Wie soll das gehen? Das ist quasi unmöglich. Wir sind Menschen. Und Menschen haben Emotionen und denken – hoffentlich – über das Gesagte nach und wie sie persönlich dazu stehen! Wir sind keine gefühllosen Roboter!
In der beruflichen Kommunikation geht es in der Regel um die Sachebene, also darum, etwas zu erarbeiten, etwas zu erledigen oder darum, Informationen auszutauschen. Bei den Beteiligten schwingen jedoch immer Werte, Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse mit (leicht merkbar anhand der Anfangsbuchstaben WEIB). Diese beeinflussen die Kommunikation und damit auch die Sachebene und die Ergebnisse.
Bei meinem Brief an die GEZ, wollte ich den Tod meines Vaters anzeigen und den Vertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt kündigen. Das war mein Interesse. Erwartet habe ich eine Rückmeldung, das mein Brief angekommen ist und zu wann die Kündigung bestätigt ist. Am liebsten, zu meinem Wunschtermin. Eine Antwort die mit einem „Beileid“ beginnt, wie es alle Versicherungen taten, hätte mein Bedürfnis erfüllt, nicht als Verwalterin des Nachlasses sondern als trauernde Tochter wahrgenommene zu werden. Im ersten Satz des Antwortschreibens zu lesen. „das Konto soll auf Ihren Namen umgeschrieben werden“, hat jedoch gar nichts von all dem erfüllt.
Ich wünsche Ihnen eine gute Kommunikation von Mensch zu Mensch!
Claudia Seidel
Nachwort zu Robotern:
Ich bin davon überzeugt, dass „Roboter“ in Zukunft so mit Daten gefüttert und programmiert werden, dass Sie emphatisch kommunizieren, sich also in die Worte der anderen Person „einfühlen“. Es mag also echt wirken, obwohl es „nur“ programmiert ist und auf Wahrscheinlichkeiten basiert. Bisher gibt es jedoch viele Chat-Bots oder Avatare, die noch daran scheitern. Beispielsweise bringen sie auf meine Frage langweilige Standardtexten hervor oder gar falsche Antworten. Und ich hoffe, das wir immer erkenne werden, ob wir mit Menschen oder mit Maschinen reden.
Coaching Methode
Coaching ist kein Training. Dennoch vermittle ich in meinen Businesscoachings gerne Hintergrundwissen, z.B. zu Kommunikation – konkretisiert auf das, was meine Klienten/Coachees beschreiben und welches Anliegen sie haben. Das oben beschriebene „WEIB-Modell“ hatte ich vor Jahren in einem Entscheidungs- und Problemlösungsskript gefunden. Von wem es kommt, stand dort leider nicht.