Eine Kommunikation mit Behörden zum Haare raufen

Für eine kulturelle und digitale Transformation von Behörden

Für ein Angebot brauchte ich eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ vom Finanzamt. Naiv schrieb ich eine E-Mail, ELSTER nutzte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ich hatte ja einen Steuerberater. Auf meine E-Mail kam eine Woche später Post mit einem Formular, das ich ausfüllte und zurückschickte. 14 Tage später fasste ich telefonisch nach.

Die erste Mitarbeiterin konnte die von mir genannte Steuernummer nicht finden, auch nicht die zweite und dritte Nummer und am Ende legten wir beide genervt „den Telefonhörer“ auf. Zwei Stunden später versuchte ich es erneut und landete bei einer anderen Mitarbeiterin. Hier erfuhr ich, dass meine Post eingegangen ist und die Bearbeiterin im Hause. Und dass ich auch direkt ins Finanzamt kommen könnte, dann bekäme ich die Unbedenklichkeitsbescheinigung direkt mit – die übrigens zu „Bescheinigung in Steuersachen“ umbenannt wurde. Ich war erleichtert, denn der Abgabetermin für das Angebot war übermorgen und das persönliche Abholen somit die beste Lösung für mein Anliegen.

Die kommunikative Kompetenz von Behörden kann zum Haare raufen sein

Kommunikation mit Behörden haben meiner Erfahrung nach so ihre Klippen. Die Kommunikation per E-Mail ist unsicher und unerwünscht, Antworten kommen dann womöglich per Post. Schlagwort-Recherchen im Internet führen eher zu fremden Website-Anbietern als zur entsprechenden Behörde. Lande ich dann endlich auf der Behörden-Website und lese die Behördenauskunft, sind die Texte lang und meist auch für mich als Akademikerin kompliziert und unverständlich. Oder wissen Sie, was EÜR oder GES sind?

In der Telefonzentrale lande ich in der Warteschlaufe oder Mittagspause und die Öffnungszeit der Fachexpert:innen sind sehr beschränkt. Habe ich dann jemanden erreicht, mag die fachliche Kompetenz des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin stimmen, Einfühlungsvermögen, Geduld und die dazugehörige Kommunikationskompetenz variiert hingegen stark zwischen „Ich helfen Ihnen gerne“ bis „Lassen Sie mich in Ruhe hier weiterarbeiten“.

Wortwahl und Geduld machen den Unterschied

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Behörden stecken tief im Fach drin. Wenn sie mit Laien zu tun haben – also den meisten Bürgern – brauchen sie ein internes „Übersetzungsprogramm“. Was meint die Bürgerin am Telefon, wenn sie ein „Parkverbot für die Parkbucht“ anfragt. Der Behördenbegriff lautet doch „Sondernutzung von öffentlichem Straßenland“. Solch standardisierten Begriffe sind zwar sehr sinnvoll. Sie bedürfen dennoch hin und wieder einer Erklärung. Vor allem wenn sie tief fachlich oder missverständlich sind. Dann ist für eine gute und gelungene Kommunikation eine Übersetzung von Behördensprache zu Umgangssprache hilfreich.

Zudem brauchen Bearbeiter:innen Geduld. Denn die Anruferin oder der Anrufe kann vielleicht nicht gleich verstehen, wie der behördliche Ablauf ist, auch wenn dieser noch so umgangssprachlich und eindeutig erklärt wurde.

Für Geduld sind die persönlichen Eigenschaften „des Beamten“ und zudem die persönliche Haltung ausschlaggebend. Was denkt die Sachbearbeiterin im Amt über die Bürger, mit denen sie zu tun hat? Nerven diese oder macht sie ihre Arbeit genau für diese Menschen? Wie geht der Referatsleiter mit nachfragen und Einwänden von Bürgern um? Sind sie unerwünscht und lästig oder sind sie Anlass, Dinge zu hinterfragen und zu verbessern?
Behördenmitarbeiter:innen können alleine oder im Business-Coaching ihre Haltung und deren Konsequenzen beleuchten. Sind Sie förderlich für eine angenehme Arbeit und einen positiven Bürgerkontakt? Wie kann ich mit den leider auch vorkommenden Wutausbrüchen einzelner Bürger:innen gut umgehen und eine positive Haltung behalten?

Und wie ist es bei einem Berg voll – ich wollt schon sagen – Akten? (-:
Bei Arbeitsüberlastung fällt es den meisten Menschen schwer, geduldig zu bleiben und Dinge ausführlich zu erklären. Rückfragen sind dann besonders nervig. Beim Abbau einer zu hohen Arbeitslast hilft nicht immer die Erhöhung der Kollegenzahl. Aus meiner Sicht wären zudem geeignete Hebel zum reduzieren der Arbeitslast in Behörden der Bürokratieabbau, geschmeidige Prozesse und  eine kundenzentrierte Digitalisierung. Letztere kann mit einer umfassenden Behörden-Website mit umgangssprachlichen Texten zum Nachlesen beginnen und auf  Online-Formulare, verzahnten Datenbanken oder gar Apps erweitert werden. Aber Achtung: Es gibt noch ältere Menschen, für die Telefon und Post/Brief noch Stand ihrer Technik sind. Was ist also bei der Digitalisierung von Behörden zu beachten?

Binden Sie bei digitalen Transformationen so früh wie möglich die Bürger ein

Aus der Methode Design Thinking kommt das Postulat: beziehe bei der Gestaltung deiner Produkte so früh wie möglich die Kunden mit ein. Das gilt nicht nur beim Designer (kreieren) von Produkten, sonder auch bei Kunden-Prozessen, bei der Text- und Formulargestaltung, den Websites, den FAQ-Seiten (Frage-Antwort-Seiten) und vielem mehr. Testen Sie alles, was Sie gestalten nicht nur im eigenen Hause, mit den meist fachlich versierten Kolleg:innen. Fragen Sie so früh wie möglich nach der Meinung unbeteiligter Dritte, die Ihre Dienste nutzen (müssen).

Entwerfen Sie dazu einen Prototypen, beispielsweise des Formulars oder der Texte für die Website. Geben sie diesen Prototypen fachfremden Personen, die zwar zur Zielgruppe gehören, aber eben fachlich noch nicht so tief drin stecken. Können diese mit dem Prototypen etwas anfangen? Können sie alles verstehen? Was würde ihnen helfen? Fragen Sie auch, was sie sich wünschten.

Auf die Frage in einem Online-Formular meiner Krankenkasse musste ich eine Auswahl treffen, wobei ich eine Variante nicht richtig verstand. Mir hätte sehr geholfen, gleich im Formular einen Hilfetext zu haben. Stattdessen hätte ich das Online-Formular verlassen und auf einer fremden Website den Begriff suchen und mir erklären (lassen) müssen. Dazu war ich zu faul (-:
Ich klickte „das Falsche“ an, denn zwischen „gesetzlich Versichert“ und „privat Versichert“ wählte ich letzteres und meinte damit „freiwillig bei der gesetzlichen Krankenkasse versichert“. Mit diesem Fehler produzierte ich nicht nur mir sondern auch der Krankenkasse viel Verwirrung, Frust und Arbeit, denn ich hätte „gesetzlich Versichert“ anklicken müssen.

4 schnelle Möglichkeiten, wie Behörden die Kommunikation mit uns Bürgern schnell verbessern können

  1. E-Mails: Nutzen Sie beim Eingang von e-mails eine automatische Antwort (Autoresponder), mit der Sie die Senderin oder den Sender der E-Mail informieren: über den Erhalt der E-Mail, den weiteren Prozess mit Dauer, vielleicht dem Link auf eine Website mit Online-Formularen und ähnlichem.
  2. Websites: Schreiben Sie auf der Website in einfacher Sprache und geben Sie Hilfestellung/Erklärungen zu Fachbegriffen. Das kann beispielsweise durch Rollover oder dem klicken auf ein Info-Symbol passieren. Ermöglichen Sie das Suchen nach Begriffen auf Ihrer Website, vielleicht sogar mit einer Übersetzung von umgangssprachlichen Begriffen in die behördliche Fachsprache. Nennen Sie wichtige Inhalte so, dass sie schnell sichtbar sind, wie z.B. Öffnungszeiten, Sprechstunden, Telefonauskunft, Formularsammlung, Ansprechperson usw.
  3. Formulare: Bieten Sie pdf-Formulare zum Downloaden oder auch Online Formulare zum direkten ausfüllen, abspeichern und abschicken an. Erklären Sie Fachbegriffe einfach und verständlich gleich dort wo sie auftauchen.
  4. Persönliche Kommunikation (vor Ort oder per Telefon): Schulen Sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Kundenkontakt in Sachen Kommunikation. Coachen Sie diese in Emotionsregulierung / Selbststeuerung und ihrer Haltung. Sorgen Sie dafür, dass die Kollegen mit Kundenkontakt genug Zeit für diese Aufgabe haben, also dass nicht parallel anderes dringender und wichtiger ist. 

Eine Kommunikation mit Behörden "zum Verlieben"

Wäre es möglich, dass die Kommunikation mit Behörden leicht und angenehm wäre, quasi zum Verlieben?

In meinen Augen schon: mit einer klaren Vision und Mission, mit Kommunikationsschulungen, Change-Coachings und kontinuierlicher Verbesserung. Und mit einem Design, bei der die Bürger:innen beteiligt werden. Das heißt: Binden Sie als Behörde oder Verwaltung bei der Gestaltung der Schnittstellen zu den Bürgern und Kunden diese so früh wie möglich ein. Fragen Sie nach deren Feedback und Ideen, erstellen sie einen neuen Prototypen und fragen Sie wieder nach Feedback. Es mag zunächst mühseliger und länger dauern. Am Ende wird aber durch genau diesen nutzerzentrierten Entwicklungsprozess die Kommunikation erleichtert, Doppelarbeit verhindert und werden Missverständnisse reduziert – für Ihre Mitarbeiter:innen und für die Bürger:innen.

Gerne stehe ich Ihnen als Change- und Organisationscoach zur Verfügung, um mit Design Thinking Produkte, Prozesse, Formulare usw. addressatengerecht zu gestalten. Oder für Kommunikationstrainings und Business-Coachings, damit Sachbearbeiter:innen geduldig und verständlich mit den Bürger:innen sprechen können. Schicken Sie mir eine e-mail, rufen Sie mich an oder machen Sie gleich einen Termin für ein unverbindliches Gespräch mit mir aus.

Mit freundlichen Grüßen,

Claudia Seidel

Coaching Methoden

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